IWAES II

IWAES II
Integrative Betrachtung einer nachhaltigen Wärmebewirtschaftung von Stadtquartieren

Knapp 30 % des deutschen Primärenergieverbrauchs – größtenteils fossile Energieträger – wird für die thermische Gebäudeversorgung verwendet. IWAES setzt hier an und nutzt zur thermischen Versorgung eines Stadtquartiers thermisch aktivierte Abwasserkanäle, welche im Verbund sowohl als Wärmesenke und -quelle als auch als Wärmenetz zwischen den Nutzern agieren. Die bisher theoretisch entwickelten Ansätze zur Bemessung und Implementierung werden nun in Reallaboren erprobt und unter Einsatz des fortentwickelten Simulationsmodells Bemessungshilfen abgeleitet. Ferner wird das Konzept auf weitere Quartierstrukturen übertragen und die Anwendung für repräsentative Modellquartiere demonstriert.

Motivation
Die gegenwärtig virulenten ökologischen, ökonomischen sowie sicherheitspolitischen Herausforderungen bei der Energieversorgung verdeutlichen die Dringlichkeit der Nutzung lokaler, regenerativer Energiequellen im Zuge der notwendigen Wärmewende. Ferner gewinnt die Kältebewirtschaftung in Folge des Klimawandels zunehmend an Bedeutung.
Ein Baustein, diese Ziele zu erreichen, stellt die Nutzung abwasserthermischer Energie dar. Diese bietet den Vorteil, sowohl Wärme als auch Kälte bereitstellen zu können, indem eine per se bestehende Infrastruktur thermisch aktiviert wird.

Die thermische Aktivierung von Abwasserkanälen und die sich hieraus ergebende hybride Nutzung ist ökonomisch und ökologisch vorteilhaft und erlaubt zudem die Realisierung eines Wärmeausgleichs im städtischen Quartieren mittels zusätzlich installierter Leitungen. Die Bemessung des „Hybridkanals“ unter Einsatz multiphysikalischer Simulationsmodelle sowie die für das Quartierskonzept erforderliche Energieleitplanung wurden bisher nur theoretisch durchgeführt, so dass bisher noch die Validierung anhand realmaßstäblicher, messtechnisch begleiteter Anwendungen ausstand.

Exemplarischer Hybridkanal © IWAES

In der zweiten Projektphase werden daher Technika geplant und realisiert, die ein detailliertes messtechnisches Monitoring und auf dieser Basis die Validierung des in der Projektphase entwickelten numerischen Simulationsmodells ermöglichen.
Eines der größten Umsetzungshemmnisse von Wärmenetzen ist dessen Integration in städtische Wärmeverbundkonzepte. Hierfür bedarf es der (Weiter-)Entwicklung von Betreibermodellen, die eine breite Anwendung des Hybridkanal-Konzeptes unterstützen. Ferner spielt auch die Akzeptanz gegenüber dem Hybridkanal-Konzept eine entscheidende Rolle dafür, ob dieses für die Wärme- und Kältegewinnung im Quartier Anwendung findet. Dafür werden u.a. verschiedene Modelle der Eigentümeransprache beleuchtet, wie Beteiligte von den Vorteilen eines Anschlusses an Wärmeverbundnetze mit Hybridkanälen zu überzeugen.

Hybridkanalkonzept – Technische und städteplanerische Aspekte
In der ersten Förderphase wurde das Konzept eines thermischen Verbundnetzes entwickelt, das es ermöglicht, über die Kanalinfrastruktur thermische Energie zwischen Nutzern mit unterschiedlichem Bedarf zu verteilen und Wärme sowie auch Kälte dem Abwasser sowie dem umgebenden Erdreich zu entziehen bzw. zuzuführen. Das zentrale Element stellt hierbei der als ´Hybridkanal´ bezeichnete dar, dessen Layout im Laufe des Projektes optimiert wurde. Für den optimierten Hybridkanal wurden numerische Simulationen durchgeführt, die Aussagen über dessen thermische Leistungsfähigkeit ermöglichen. Die Randbedingungen wurden aus selbstständig durchgeführten Messungen des Kanalklimas als auch durch Recherche ermittelt. Die Simulationen zeigen, dass bis zu 15 % des thermischen Bedarfs eines Stadtquartiers rein aus der Abwasserthermie gewonnen werden könnte. Darüber hinaus wurden vorhandene formelle und informelle Planungsinstrumente im Hinblick auf ihre Eignung zur Integration des Hybridkanalkonzeptes untersucht. Alle Erkenntnisse wurden in einem Handlungsleitfaden zusammengefasst, welcher Stakeholdern eine leichte Umsetzung des Konzeptes erlaubt.

Akzeptanzsteigerung durch validierte Bemessungshilfen
Die Anschlussphase dient in technischer Hinsicht der Validierung der in der ersten Phase entwickelten Methoden und Ansätze. Hierfür wird der Hybridkanal unter realen Versuchsbedingungen in Reallaboren getestet und alle relevanten Parameter messtechnisch erfasst. Abbildung 2 zeigt eines der Technika. Diese Messdaten werden zur Validierung und erforderlichenfalls Fortentwicklung des numerischen Simulationsmodells herangezogen. Mit den so validierten Modellen werden dann Parameterstudien durchgeführt, die als Grundlage eines Bemessungsansatzes dienen.

Technikum zur messtechnischen Erfassung der wirkenden Wärmeströme © IWAES

In städtebaulicher Hinsicht werden Betreibermodelle für Wärmeverbundnetze mit Hybridkanälen und Konzepte für die Akzeptanzsteigerung bei der Implementierung des Konzeptes in Stadtquartieren entwickelt. Die fortgeschriebenen technischen und städtebaulichen Konzepte werden auf ausgewählte Modellprojekte mit repräsentativer Quartiersstruktur und Typologie angewendet. Auf dieser Basis erfolgt eine Übertragung des Hybridkanal-Konzeptes auf weitere Quartierstypologien.

In diesem Zuge wird neben der Dimensionierung der Kanalnetze, der Bemessung der Hybridkanäle und der Netzplanung auch die Energieleitplanung sowie die zu entwickelnden Betreibermodelle und die Eigentümeransprachen an realen und in Umsetzung befindlichen Stadtquartieren erprobt, auf Umsetzungshemmnisse geprüft und optimiert. Der bereits in der ersten Phase erstellte Handlungsleitfaden wird dann durch diese neuen Erkenntnisse erweitert bzw. modifiziert.

Projekttitel
IWAES II – Integrative Betrachtung einer nachhaltigen Wärmebewirtschaftung von Stadtquartieren im Stadtentwicklungsprozess – Umsetzungs- und Verstetigungsphase

Projektwebsite
iwaes.de

Laufzeit
01.11.2022–30.09.2024

Förderkennzeichen
033W106AN

Fördervolumen
450.000 €

Kontakt
Univ.-Prof. Dr. -Ing. habil. Christian Moormann
Universität Stuttgart
0711 685-62437
christian.moormann@igs.uni-stuttgart.de

Projektbeteiligte
Institut für Geotechnik, Universität Stuttgart
Institut für Gebäude- und Energiesysteme, Hochschule Biberach
Lehrstuhl für Städteplanung, Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern
Amt für Umwelt, Landeshauptstadt Stuttgart
FRANK GmbH

Stand
Mai 2023

Informationen zur ersten Förderphase (2019 – 2022) finden Sie hier


Ergebnisse

Ergebnisse der zweiten Förderphase

Präsentation des Workshops „Kommunale Wärmeleitpläne: Potential thermisch aktivierter Hybridkanäle nutzen“ vom 19.04.2024

Ergebnisse der ersten Förderphase

Ergebnisse aus 2019 – 2021
Beitrag in der Publikation der Ergebnisse der ersten Förderphase Quartiersansatz auf Basis thermisch aktivierter Abwasserkanäle

Ergebnisse aus 2021 – Beitrag im RES:Z-Newsletter 3: Thermische Aktivierung von „Sowieso-Infrastrukturen“

Ergebnisse aus 2020 – Beiträge im RES:Z-Newsletter 2: Thermische Aktivierung vorhandener Infrastrukturen

Ergebnisse aus 2019 – Beitrag im RES:Z-Newsletter 1: Wärmebewirtschaftung und Speicherung im Stadtquartier


Veröffentlichungen

Corinna Schittenhelm, Meinhard Ryba, Till Kugler, Roland Koenigsdorff, Detlef Kurth, Christian Moormann: Nachhaltige Wärme- und Kältebewirtschaftung von Stadtquartieren Integrierte Betrachtung im Stadtentwicklungsprozess. Transforming Cities 4 (2020), S. 52-57. (link)